Ute Hüser
Selbstoptimierung ist in den letzten Jahrzehnten zu einem allgegenwärtigen Thema geworden. Mit dem ständigen Streben nach einem besseren Ich wird uns ein erfüllteres, erfolgreicheres und glücklicheres Leben versprochen. Eine zentrale Rolle bei der Verbreitung und Verstärkung der Selbstoptimierung spielt Social Media. Plattformen wie Instagram, TikTok und Facebook bieten unzählige Inhalte, die Selbstverbesserung und Erfolg zum Ziel haben. Doch die Realität hinter diesen Versprechungen ist oft ernüchternd.
Die Verlockung der Perfektion
Social Media bietet eine Bühne, auf der Nutzer ihre vermeintlich perfekte Lebensweise präsentieren können. Fitness-Influencer zeigen ihre durchtrainierten Körper, Coaches geben Tipps für mehr Produktivität und Erfolg, und Marketing-Gurus verkaufen die einzig richtige Strategie, um mehr Leads und Follower zu generieren. Diese Darstellungen erzeugen einen enormen Druck, der zur sogenannten Selbstoptimierungsfalle führt. Nutzer fühlen sich ständig unzureichend und glauben, dass sie mehr tun oder nur richtig investieren müssen, um das gleiche Maß an Perfektion oder Erfolg zu erreichen.
Vergleich und Neid
Die ständige Konfrontation mit den „idealen“ Lebensweisen anderer führt unweigerlich zu Vergleichen. Diese Vergleiche sind meist ungesund, da sie auf einem stark verzerrten Bild der Realität basieren. Social Media vermittelt eine selektive Darstellung, die die positiven Aspekte des Lebens zeigt, Schwierigkeiten und Misserfolge, die zum Leben dazugehören, aber ausblendet. Dies führt vermehrt zu Gefühlen von Neid und Unzulänglichkeit, da die eigenen Erfolge und Bemühungen im Vergleich trivial erscheinen und eine Spirale der Selbstverurteilung entsteht.
Die Kommerzialisierung der Selbstoptimierung
Viele Influencer*innen und Unternehmen nutzen den Trend zur Selbstoptimierung, um Produkte und Dienstleistungen zu vermarkten. Von Fitnessprogrammen bis hin zu Coaching-Sitzungen – die Kommerzialisierung hat die Selbstoptimierung in eine milliardenschwere Industrie verwandelt. Diese Angebote versprechen schnelle und einfache Lösungen, um das vermeintlich perfekte Leben zu erreichen. Dabei wird oft übersehen, dass echte Veränderungen Zeit und harte Arbeit erfordern und nicht durch den Kauf eines Produkts oder Tools erreicht werden können. Im Grunde wird mit dem inneren Leid, dem mangelnden Selbstwert und unrealistischen Versprechungen von Menschen Geld gemacht. Einige wenige Menschen werden sicherlich erfolgreicher, doch die Mehrheit gibt ungeheuer viel Geld aus, und manche verschulden sich sogar, weil sie den Verlockungen von Erfolg und Profit anheimfallen.
Psychische Gesundheit und Burnout
Der ständige Druck zur Selbstoptimierung kann erhebliche psychische Schäden verursachen. Studien zeigen, dass Social Media-Nutzung mit erhöhten Raten von Depressionen und Angstzuständen verbunden ist. Der Drang, immer besser zu werden und das eigene Leben ständig zu verbessern, kann zu chronischem Stress und Burnout führen. Anstatt zu einem erfüllteren Leben führt die Selbstoptimierung möglicherweise zu einem Zustand der permanenten Unzufriedenheit und Erschöpfung
Leistung und Erfolg: Ein gesellschaftliches Paradigma
In unserer modernen westlichen Kultur ist der Mythos „Jeder ist seines Glückes Schmied“ oder moderner ausgedrückt „Du kannst alles erreichen“ ein unreflektiertes Märchen. Dieser Traum von der Machbarkeit scheitert an vielen Bedingungen und Ungerechtigkeiten in unseren sozialen Systemen sowie unseren individuellen Persönlichkeitsstrukturen und Netzwerken. Nicht jeder, der kompetent und gut ist, ist in der Welt sichtbar oder materiell erfolgreich. Wir sind alle durch die Tretmühle von Leistungsoptimierung, Belohnung und Bewertung gegangen und fühlen kollektiv die Echos in unseren Emotionen, Körpern und Vorstellungen. Erst eine kritische Auseinandersetzung mit dem Machbarkeitswahn kann uns klarer erkennen lassen, dass es dem Leben gar nicht darum geht.
Das Leben ist indifferent gegenüber Erfolg
Um der Selbstoptimierungsfalle zu entkommen, ist es wichtig, den eigenen Hintergrund zu reflektieren: Weshalb will ich erfolgreich sein? Was an meiner aktuellen Situation ist nicht okay? Was möchte ich in meinem aktuellen Leben nicht sein, nicht haben, nicht fühlen? Um uns lebendig, glücklich und frei zu fühlen, benötigen wir vor allem eins: Akzeptanz und ein Ja zu dem, was ist. Wir dürfen uns mitfühlend annehmen, mit all unseren Schwächen und Unzulänglichkeiten. Äußere Bedingungen wie Reichtum, Partner oder Erfolg können ein Sahnehäubchen sein, aber sie sind nicht der Grund, warum wir Glück und Zufriedenheit in uns erfahren. Jeder Mensch ist einzigartig und der persönliche Weg ist individuell und nicht mit anderen vergleichbar.
Fazit
Die Selbstoptimierung und die damit verbundenen Social Media-Angebote können eine Falle darstellen, die mehr Schaden als Nutzen bringt. Anstatt sich in einem ständigen Kreislauf von Vergleichen und unerreichbaren Zielen zu verlieren, sollten wir lernen, einen kritischeren Blick auf die Inhalte in den sozialen Medien zu werfen und uns auf unsere eigene, authentische Entwicklung zu konzentrieren. Diese Entwicklung ist ein fortlaufender Prozess, der nie zu Ende ist.
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